Sensible Substanzen wirkungsvoll schützen – Partikeldesign mithilfe von Wirbelschicht- und Strahlschichtprozessen

Stabilisierte Aktivstoffe für die Lebensmittel- und Getränkeindustrie durch Hot-Melt-Anwendungen in der Wirbelschicht oder Strahlschicht

Damit sensible Substanzen wie Probiotika, Aromen, Vitamine oder Aktivstoffe mit verzögerter Freisetzung die Reise durch Verarbeitungsprozesse oder den Verdauungstrakt überstehen, müssen sie funktionell geschützt werden. Hot-Melt-Coating und Verkapselung in der Wirbelschicht oder Strahlschicht bieten hierbei eine Vielzahl von Möglichkeiten zur Produktgestaltung.

Die Nachfrage nach gesundheitsfördernden Lebensmitteln und Functional Food steigt seit Jahren. Auch die Vielfalt an Aromen, Lebensmittelfarbstoffen und ätherischen Ölen ist größer denn je. Doch Aktivstoffe sind oft licht-, sauerstoff- und temperaturempfindlich, reagieren ungewollt früh mit anderen Ingredienzen, bluten aus oder wirken nicht lang oder intensiv genug. Mit Hot-Melt-Verfahren nutzt die Lebensmittelindustrie eine Methode, die in der Arzneimittelherstellung seit langem dafür sorgt, Wirkstoffe in eine schützende Hülle einzubetten. Die Herausforderung liegt darin, temperatursensitive Rohmaterialien wie Vitamine, ätherische Öle oder Enzyme mit einem dünnen Film aus heißen, geschmolzenen Coating-Materialien zu umhüllen. Hierbei spielt die Grenzflächentemperatur eine Hauptrolle. Der Anlagenbauer Glatt Ingenieurtechnik aus Weimar entwickelt entsprechende Wirbel- und Strahlschichtprozesse für das Partikeldesign und bietet Anlagensysteme für den kontinuierlichen und chargenweisen Produktionsbetrieb.

Herausforderung Aktivstoffe

Empfindliche Mikroorganismen wie Bifidus bifidum stellen Produktentwickler vor viele Herausforderungen: Sie verderben bei der konventionellen Gefrier- oder Vakuumtrocknung, sind schlecht fließfähig und erschweren durch die ungleichmäßige Korngrößenverteilung die Weiterverarbeitung. Ein weiteres Beispiel ist das Gewürz Piment, auch Nelkenpfeffer genannt: Um den Aromastoff etwa in Teig oder Marinaden einzuarbeiten, kommt ein Pulver aus den getrockneten Früchten zum Einsatz. Dabei verflüchtigt sich ein Teil seines Aromas. Wird ein gecoatetes Piment verwendet, so entfaltet sich sein Aroma deutlich intensiver, sobald sich die Coating-Schicht bei einer definierten Backtemperatur oder durch die Wechselwirkung mit anderen darauf abgestimmten Zutaten auflöst.

Das Prinzip von Wirbelschicht- und Strahlschicht

Zwei Verfahren, die für Coating-Prozesse, aber auch Sprühgranulation, Sprühagglomeration und Mikroverkapselung (Matrixverkapselung) sehr gut geeignet und deshalb als Leitverfahren für die Formulierung und Optimierung von Pulvereigenschaften etabliert sind, sind Wirbelschicht und Strahlschicht. Der Unterschied der Konzepte liegt, vereinfacht gesagt, in der Strömungsmechanik und Prozessdynamik, wobei im grundlegenden Prozess wirtschaftlich Flüssigkeiten getrocknet oder verfestigt, Additive integriert und Oberflächen funktionalisiert werden können. In beiden Verfahren verhalten sich Partikelschüttungen wie Flüssigkeiten – sie werden mit einem Prozessgas, im einfachsten Fall Luft, fluidisiert. Bei der Sprühgranulation werden feststoffhaltige Flüssigkeiten wie Lösungen, Suspensionen oder Schmelzen in die Prozesskammer gesprüht und durch Mikroprozesse wie Benetzen, Verdunsten und Kristallisieren schalenartig zu Partikeln mit Korngrößen zwischen 50 µm und 4 mm aufgebaut. Pulver für Instantgetränke und Soßen werden sprühagglomeriert, indem sie mit einer Binderflüssigkeit besprüht und zu größeren und gröber strukturierten Instantkörnchen verklebt und getrocknet werden – sie lösen sich bei der späteren Zubereitung wieder rückstandslos auf. Für Hot-Melt-Anwendungen besonders relevant sind die Mikroverkapselung mittels Sprühgranulation und das Sprühcoating.

Verkapselte Vitamine, Öle und Probiotika

Beim Mikroverkapseln geht es darum, Flüssigkeiten, Gase oder Feststoffe feindispers in eine geeignete Matrix einzuschließen. Dabei werden beispielsweise Öl-in-Wasser-Emulsionen oxidationsempfindlichen Lavendel- oder Orangenöls zusammen mit einem gelösten Matrixbildner, etwa modifizierte Stärke, in die Prozesskammer eingesprüht und zu einem langzeitstabilen und rieselfähigen Granulat getrocknet. Um probiotische Mikroorganismen zu verkapseln und zu immobilisieren, haben Glatt-Ingenieure ein patentiertes Strahlschicht-Verfahren entwickelt, das diese mit einer deutlich höheren Temperatur trocknet als herkömmlich. Matrixmaterialien wie Maltodextrin und Molkenpulver verbessern Haltbarkeit und Schutz der empfindlichen Formulierungen aus mikrobiellen Kulturen und Präbiotika. Mit zugesetzten präbiotischen Fasern wird eine zusätzliche symbiotische Wirkung erzielt. Über Produkttemperatur, Sprühgeschwindigkeit und Sprühdruck werden beim Verkapseln Form, Struktur und Größe der resultierenden Partikel eingestellt. Die funktionelle Beschichtung mit einem Coating kann im selben Prozess erfolgen.

Sprühcoating mit heißen Schmelzen

Von Coating spricht man, wenn der Prozessraum mit vorliegenden Partikeln, Granulaten oder Pellets gefüttert wird, um diese mit einer flüssigen Coating-Schicht zu überziehen. Mehrfaches Umhüllen mit Sprühflüssigkeit und Trocknen beziehungsweise Erstarren erfolgen dabei im gleichen Prozessschritt. Sprühcoating ist immer dann das Verfahren der Wahl, wenn es bei der Optimierung von Produkteigenschaften darum geht, dass zum Beispiel Freisetzungsmechanismen gesteuert, die Oberflächenstruktur für höhere Thermo- und Oxidationsstabilität modifiziert und Gerüche oder Geschmacksstoffe maskiert werden sollen. Beim Sprühcoating von Aktivstoffen in der Wirbelschicht werden Hilfsstoffe in einem Lösemittel aufgelöst oder suspendiert, um mit dieser Hilfsstoff-Mixtur Starterpartikel zu beschichten. Hot-Melt-Coating ist ein lösemittelfreier Prozess, in dem die Hilfsstoffe – die Coating-Materialien – in einem geeigneten Behälter erhitzt und in eine Schmelze überführt werden. Sie wird über eine beheizte Leitung zum Wirbelschicht-Coater transportiert, und dort mittels einer ebenfalls beheizten Düse auf die in der Wirbelschicht schwebenden Wirkstoffpartikel gesprüht. Durch rasches Abkühlen bildet sich ein gleichmäßiger Überzug. Geeignete Coating-Materialien für Hot-Melt Anwendungen sind üblicherweise naturbasierte, gut verträgliche Produkte wie Lipide, zum Beispiel Bienenwachs, pflanzliche Wachse wie Carnaubawachs, hydrierte Pflanzenöle und –fette, Fettsäuren und Mono- beziehungsweise Diglyceride, da diese geeignete Schmelztemperaturen für die Verarbeitung in der Wirbelschicht besitzen.

Vorteile von Hot-Melt-Anwendungen

Hot-Melt-Coating bietet im Vergleich zu konventionellen lösungsmittelbasierten, zeitaufwendigen und kostenintensiveren Coating-Technologien viele Vorteile: Zeit- und energieintensive Trocknungsprozesse – etwa mit Wasser als Lösemittel zum Trocknen wässrig beschichteter Partikel – fallen weg und reduzieren die Gesamtprozesszeiten. Potenziell gefährliche, teure organische Lösungsmittel wie Alkohole, Aldehyde oder Ester sind überflüssig. Der schnellere und meist sicherere Prozess resultiert in gesteigerten Produktionsmengen und erhöht die Produktivität gleichgroßer Anlagensysteme.

Im Labormaßstab beginnen

Wer Aktivstoffe stabilisieren und mit einem funktionellen Coating – ob mit Hot-Melt oder lösungsmittelbasiert – ausstatten will, beginnt am wirtschaftlichsten mit kleinen Mengen im Labormaßstab und findet experimentell den idealen Prozess. Laboranlagen eignen sich zudem ideal für die Produktentwicklung und das Herstellen von Masterbatches für Markttests. Wirkstoffe und Partikeleigenschaften wie Größe und Schüttdichte können bereits im Prozess analysiert werden. Darüber hinaus können Erfahrungen mit Produktwechseln, Reinigungszyklen und geeigneten Filterelementen gesammelt werden. Im unternehmenseigenen Technologiezentrum in Weimar bietet Glatt Ingenieurtechnik Testanlagen mit verschiedenen Prozessabläufen, Systemkonfigurationen und Laborgeräten an und stellt für meist einwöchige Testreihen ein Team erfahrener Food- und Processing-Experten zur Verfügung. Bei der zuverlässigen Skalierung bis zum Produktionsmaßstab für energetisch effektive und leicht automatisierbare Konti-Prozesse helfen lokale Pilotanlagen, denn Batch-Parameter lassen sich nicht 1:1 übertragen.

Weitere Informationen zu diesem Thema und verwandten Themen finden Sie auch in den folgenden Veröffentlichungen: