Flüchtige Stoffe verkapseln – Produktoptimierung mit künstlichen neuronalen Netzen

Lebens- und Futtermittel müssen mit Fokus auf hohe Ausbeuten an Aktivstoffen und gleichzeitig niedrigen Formulierungskosten entwickelt werden. Als eine typische industrielle Anwendung wird in diesem Beitrag die Verkapselung flüchtiger Stoffe, z. B. Aromen oder PUFAs (mehrfach gesättigte Fettsäuren), in dichte und frei fließfähige Granulate erläutert. Dieser Prozess verbessert die Lagerstabilität, schützt die Produkte vor Sauerstoff und ist mit einem kontinuierlich arbeitenden Strahlschichtapparat durchführbar.

  • Autor: Dr. Michael Jacob, Leiter Verfahrenstechnik, Process Technology Food, Feed & Fine Chemicals, Glatt Ingenieurtechnik GmbH
  • im Original veröffentlicht im Fachmagazin ‚Lebensmitteltechnik‘, Ausgabe 11/2009, LT Food Medien-Verlag GmbH

Glatt Ingenieurtechnik hat die Baureihe ProCell entwickelt, die Sprühgranulation, Agglomeration sowie Coating ermöglicht und deren Arbeitsweise auf dem Strahlschichtprinzip basiert. Durch das spezielle Fluidisierungsverhalten und die dadurch hervorgerufene Partikelbewegung im Prozessraum zeichnet sich die Strahlschichttechnologie durch eine Reihe von Vorteilen im Vergleich zu konventionellen Wirbelschichtprozessen aus. Insbesondere die Möglichkeit, bei geringer Verweilzeit zu arbeiten und dadurch die Temperaturbelastung für die Produkte zu minimieren, erlaubt es, die Anlagen für Verkapselungsaufgaben zu nutzen.

Derartige Prozesse sind ökonomisch realisierbar, indem Emulsionen sprühgranuliert werden, die im einfachsten Fall als Öl in Wasser System vorliegen. Hierzu wird ein wasserunlöslicher Aktivstoff (z.B. Aroma) homogen in einer wasserbasierten Matrixlösung suspendiert. Die Matrix bildet im Prozess die feste Partikelstruktur, worin der Aktivstoff physikalisch eingebettet ist.

Die Emulsion wird in den Prozessraum eingesprüht. Sprühtropfen treffen auf die fluidisierten Partikel und benetzen deren Oberfläche, wodurch ein Flüssigkeitsfilm gebildet wird. Im Falle von wasserbasierenden Emulsionen trocknet der Flüssigkeitsfilm durch das erwärmte Fluidisierungsgas. Durch die Verdampfung sinkt die Gastemperatur sofort und die Partikel im Prozessraum werden bei relativ niedrigen Temperaturen aufgebaut. Dieser Effekt erlaubt die Verarbeitung empfindlicher Produkte, z.B. Aromaöle. Durch die Trocknung wird aus dem Flüssigkeitsfilm eine Feststoffschicht, die Partikel wachsen schalenförmig.

Effizienz des Prozesses sowie Produktqualität hängen von den Prozessbedingungen und den Formulierungsparametern ab. Um diese Abhängigkeiten zu untersuchen, wurden systematische Experimente im Labormaßstab, unter Verwendung einer modular aufgebauten Anlage vom Typ ProCell LabSystem (Abb. 2), durchgeführt.

In verschiedenen Experimenten wurden Parameter wie Produkttemperatur im Prozessraum, Emulsions-Sprührate und mittlere Verweilzeit des Feststoffes variiert. Die Zulufttemperatur wurde entsprechend der gewünschten Produkttemperatur und Sprührate angepasst. Basierend auf einer Massenbilanz und der Füllmenge im Apparat, wurde die mittlere Verweilzeit des Feststoffes berechnet. Zusätzlich zu den Prozessbedingungen wurden verschiedene Zusammensetzungen der Sprühflüssigkeit untersucht. Die vorliegende Studie beinhaltet verschiedene Matrix-Formulierungen, zusätzliche Additive, Wasser als Lösungsmittel und unterschiedliche Aktivstoffe.

Insgesamt wurden 36 einzelne Experimente durchgeführt. Dabei wurden am kontinuierlichen Produktaustrag zu definierten Zeitpunkten Proben genommen. Jede Probe wurde physikalisch und chemisch analysiert.

Als ein Maß für die Verkapselungsqualität wurde eine Ausbeute Y (c = Konzentration) definiert.

Entsprechend der Prozessbedingungen und Eigenschaften der Emulsion wurden unterschiedliche Produktqualitäten erzielt. Insgesamt besitzen alle Granulate eine sehr kompakte und feste Struktur. Als ein Beispiel wird in Abb. 3 ein typisches Granulat gezeigt. Hierbei handelt es sich um ein in einer Maltodextrinmatrix verkapseltes Orangenöl.

Ausgehend von den Versuchsergebnissen waren die Formulierung der Sprühflüssigkeit und die Prozessparameter zu optimieren, um eine maximale Ausbeute des Aktivstoffes im Produkt zu erhalten. Darüber hinaus sollte die Partikelgröße im gewünschten Bereich sein. Zunächst wurde ein Datenvorverarbeitungsschritt unter Nutzung der Prozessbedingungen und dazugehörigen Produkteigenschaften durchlaufen. Die erzeugten Datensätze wurden zum Aufbau eines künstlichen neuronalen Netzes (aNN) als statistisches Prozessmodell verwendet.

In der Fallstudie wurden 12 Eingabeparameter und 3 Ausgabeparameter (mittlere Partikelgröße, Aktivstoffgehalt im Produkt, Ausbeute) für das Prozessmodell verwendet. Zur Prüfung der Prognosen des erzeugten Netzes wurden die experimentell gewonnenen Datensätze mit den Vorhersagen aus dem neuronalen Netz grafisch ausgewertet. Ergebnis: Das neuronale Netz kann als sehr wertvolles Prozessmodell verwendet werden, seine Vorhersagegenauigkeit ist ausreichend. Darauf aufbauend wurden Analysen durchgeführt, um den Einfluss von Prozess- und Stoffparametern auf die Produkteigenschaften zu untersuchen und die Ausbeute sowie die Formulierungskosten zu optimieren.

Durch den mehrdimensionalen Charakter des Modells ist eine visuelle Ergebnisdarstellung von Anhängigkeiten schwierig. Werden einzelne Parameter hinsichtlich ihres Einflusses auf andere Parameter analysiert, sind sämtliche anderen Einflussgrößen auf einen bestimmten Wert festgelegt. Für die folgenden Abbildungen werden alle Eingabeparameter, deren Wertebereiche nicht in den Diagrammen dargestellt sind, auf ihren jeweiligen Mittelwert fixiert, Flächendiagramme zusammengefasst, die die einzelnen Abhängigkeiten von Formulierungsparametern wie Konzentration von Maltodextrin des Typs 1 und von Stärke des Typs 1 in der Emulsion und von Prozessbedingungen wie Sprührate, Produkttemperatur und mittlerer Verweilzeit des Feststoffes auf die Ausbeute an Aktivstoff und auf die mittlere Partikelgröße des erzeugten Granulates beispielhaft für Orangenöl darstellen.

Zusätzlich können auch die Einflüsse der einzelnen Prozessparameter analysiert werden. Als Beispiele für direkt messbare Parameter werden die Emulsions-Sprührate und die Produkttemperatur im Prozessraum untersucht (Abb. 7).

Es zeigt sich ein deutlicher Trend, dass die Ausbeute durch Erhöhung der Sprührate und Absenkung der Produkttemperatur maximiert werden kann. Für die Partikelgröße gilt, dass eine höhere Sprührate im Allgemeinen zu größeren Granaten führt. Dieses Wachstum erfolgt schneller bei geringeren Produkttemperaturen. Eine andere wesentliche Größe ist die Masse an Partikeln im Apparat. Dieser Wert repräsentiert, zusammen mit der Partikelgrößenverteilung, die Partikeloberfläche, die für Wärme- und Stoffaustauschprozesse zur Verfügung steht. In Abb. 8 wurde der Einfluss der mittleren Verweilzeit und der Sprührate auf die Ausbeute und die Partikelgröße aufgetragen.

Im Allgemeinen ermöglicht eine geringere mittlere Verweilzeit eine Erhöhung der Ausbeuten. Diese kann zusätzlich durch erhöhte Sprühraten gesteigert werden. Qualitative Unterschiede zeigen sich bezüglich des Einflusses von Verweilzeit und Sprührate auf die erzeugten Partikelgrößen. Bei geringen Sprühraten hat die Verweilzeit keinen nennenswerten Einfluss auf die Partikelgröße. Bei höheren Sprühraten wird der Verweilzeiteinfluss größer. Die Diagramme zeigen, dass die einzelnen Parameter unterschiedlich sensitiv hinsichtlich Ausbeute und Partikelgröße sind. Typischerweise hängen die einzelnen Werte und Tendenzen sehr stark vom betrachteten Aktivstoff (in diesem Fall vom Öl) ab. Allgemeingültig kann festgestellt werden, dass höhere Ölbeladungen nur unter Verwendung optimierter Matrixrezepturen sinnvoll umgesetzt werden können.

Zusammenfassung

Die Fallstudie untermauert die Einsetzbarkeit künstlicher neuronaler Netze zur Produkt- und Prozessoptimierung. Für die Verkapselung von flüchtiger Substanzen konnten sehr wertvolle Informationen herausgearbeitet werden. Ein Prozess, der bei geringen Verweilzeiten betrieben werden kann, ist vorzugsweise zur Verkapselung flüchtiger Komponenten in granulare Strukturen einzusetzen. Hierfür bieten die innovativen Anlagen der Baureihe ProCell Vorteile im Vergleich zu herkömmlichen Wirbelschichtanlagen. Das Prinzip der Fluidisierung erlaubt die Verdüsung auch bei sehr geringen Füllmengen. Darüber hinaus unterstützen die hohen Scherkräfte im Bedüsungsbereich eine gleichmäßige Flüssigkeitsfilmbildung und minimieren Tendenzen zur Agglomeration.

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