Maßschneiderei für Pulver – Partikelsynthese im pulsierenden Heißgasstrom

Mit Apptec hat Glatt Ingenieurtechnik eine Technologie entwickelt, mit der Pulver in Zusammensetzung und Partikeldesign speziell auf die Bedürfnisse der Kunden angepasst werden können. Durch die Pulversynthese im pulsierenden Heißgasstrom sind Produktstrukturen möglich, die mit bisherigen Verfahren nicht zugänglich waren.

» im Origininal veröffentlicht der Fachzeitschrift ‚cav – chemie anlagen verfahren‘, Ausgabe 04/2016 S. 54–56 (Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH)

» Autor: Dr. Ulla Reutner, freie Fachjournalistin

Pulver so zu beziehen, dass sie eine bestimmte Funktionalität bieten und vom Pulverhersteller zuverlässig bereitgestellt werden, ist nicht immer einfach. Der Verarbeiter wünscht Pulver, die mehr oder weniger einzigartig sind, die Pulverhersteller dagegen folgen dem Trend zur Standardisierung, um ihre Gewinnmargen zu verbessern. Hier setzte Glatt in seinen Bestrebungen an, die bislang angebotene Wertschöpfungskette zu erweitern. Dr. Lars Leidolph, Leiter Advanced Powder Processing bei Glatt Ingenieurtechnik, sagt: „Mit Apptec haben wir eine Technologie entwickelt, mit der wir unserem Kunden sein spezielles Pulver in Zusammensetzung und Partikeldesign anwendungsspezifisch anbieten können. Genauso wie er es benötigt.“ Apptec steht für Advanced Pulse Powder Technology. Zugleich ist das Wortspiel APP für Applikation, also Anwendung, kein Zufall. Es geht eben darum, mit der neuen Technik für die Pulverherstellung genau den jeweiligen Bedarf einer Applikation zu treffen. Neue Pulvertypen können entstehen, mit Eigenschaften, die regelrecht designt wurden. Die Anwendungsmöglichkeiten reichen von Katalysatoren über Pigmente und andere Feinchemikalien, Hightech-Keramiken bis hin zu funktionalen Lebensmitteln. Dabei geht es nicht um Massenprodukte, sondern um Spezialitäten, die von den etablierten Pulverherstellern eben schwer zu beziehen sind. Dazu setzt die Technik auf ein eigentlich etabliertes Verfahren: die Sprühpyrolyse. Der Ausgangsstoff wird als Pulver, Lösung oder Suspension in einen Heißgasstrom gesprüht, wird dort aufgeheizt und reagiert schließlich chemisch oder mineralogisch. Es verändern sich Struktur, Morphologie oder Teilchengröße.

Pulsierender Heißgasstrom

Alle Merkmale, die die gewünschte Performance des Endprodukts ausmachen, lassen sich mit Apptec in einem Prozessschritt einstellen. Ein wichtiges Mittel dazu ist die kontrollierte Pulsation des Heißgasstroms im Synthesereaktor.
Frequenz und Amplitude lassen sich ebenso einstellen wie die Prozesstemperatur und die Strömungsgeschwindigkeit, d. h. die Verweildauer. Die Pulsation verbessert die Wärmeübertragung vom Gas zum Partikel. Ca. fünf bis zehn Mal höher ist diese bei pulsierenden Gasströmungen gegenüber kontinuierlichen. Die Partikel heizen sich extrem schnell auf. Stoffe, die mit den landläufigen Verfahren zur Kristallbildung neigen, kann man so, wenn gewünscht, in amorphen Strukturen darstellen, was z. B. deren katalytische Aktivität steigert. Reaktionen sind viel besser beeinflussbar. So lassen sich Pigmente in äußerst komplexen Stöchiometrien herstellen, die anders gar nicht erzielbar wären. Durch das schnelle Aufheizen wird eine einzigartige Gleichgewichtssituation der chemischen Reaktionen erreicht und damit ganz spezielle chemische Zusammensetzungen. Dazu kommt die Möglichkeit, die Gasatmosphäre einzustellen, etwa oxidierend oder sauerstofffrei.

Ohne Temperaturgradienten

Dem pulsierenden Gasstrom fehlen die bei konventionellen Systemen typischen Temperatur- und Geschwindigkeitsgradienten, dank des hohen Turbulenzgrads im Reaktor. Alle Partikel werden also gleich behandelt, bei identischer
Temperatur und mit derselben Verweilzeit. Die lässt sich definiert einstellen – ganz nach Anforderung. Homogener kann das so erzeugte Pulver gar nicht sein. Auch das Problem der Aggregation tritt nicht auf, denn Teilschmelzen,
die es hervorrufen könnten, sind dank der streng kontrollierten gleichmäßigen Prozesstemperatur kein Thema. Anschließend werden die Partikel schnell abgekühlt. „Natürlich gibt es auch für dieses neuartige Verfahren gewisse Grenzen“, räumt Leidolph ein. Doch die Erfahrungen aus dem Glatt-Technologiezentrum, in dem Apptec bereits auf Herz und Nieren getestet wurde, stimmen ihn zuversichtlich: „Wir können Pulver genau auf die Wünsche des Kunden und die Bedingungen seiner Applikation zuschneiden und dabei sogar sehr unterschiedliche Prozessschritte wie Trocknung, Kalzinierung, Partikelbildung oder -beschichtung zusammenfassen.“ F&E-Service übernimmt Partikeldesign
Wer die neue Technik nutzen will, dem bietet Glatt einen umfangreichen F&E-Service an. Im Technologiezentrum in Weimar erarbeiten Pulverexperten gemeinsam mit ihren Kunden das Partikeldesign. Das kann äußerst aufwendig
und langwierig sein. Man muss bei Neuentwicklungen mindestens mit einem Jahr Entwicklungsarbeit bis zur Produktionsfähigkeit rechnen, da die Kunden mit einem Pulver, das neuartige Eigenschaften zeigt, auch in ihrer eigenen Anwendung Versuche fahren müssen. Eventuell steht dann sogar noch eine Runde bei deren Abnehmer an: So etwa bei Pulver, das als reaktives Material vom Katalysatorproduzenten in eine Matrix eingebaut wird. Dieser zertifiziert sein Produkt. Und am Ende geht der fertig gebaute Katalysator zum Anwender, der mit dem neuen Typ ebenfalls Qualifizierungsprozeduren durchläuft. Ein langer Prozess also, den Glatt auf Wunsch als Lohnfertiger unterstützt – auch  angfristig, wenn der Pulverproduzent beziehungsweise -verarbeiter keine eigene Apptec-Anlage wünscht. „Wir haben eine ausreichende Produktionskapazität geschaffen und decken damit den Kapazitätsumfang für verschiedene Spezialitäten, die unsere Kunden benötigen, zuverlässig ab“, meint Leidolph. Selbstverständlich können Kunden aber auch jederzeit eine eigene Anlage ordern – oder sie bei einem Lieferanten ihrer Wahl errichten lassen. Wer eine eigene Anlage ordert, profitiert davon, dass die Testergebnisse ohne aufwendiges Scale-up in eine technische Produktion überführt werden können. Während die Kundenanlage geplant und gebaut wird, können Kunden dank der Lohnproduktion parallel bereits ihr Pulver liefern oder weiterverarbeiten – im besten Fall auf weiteren Glatt-Anlagen, etwa zur Granulation.

Dr. Lars Leidolph, Leiter Advanced Powder Processing bei Glatt Ingenieurtechnik: „Mit Apptec haben wir eine Technologie entwickelt, mit der wir unseren Kunden ein speziell auf ihre Bedürfnisse zugeschnittenes Pulver anbieten können.“