Für den schnellen Genuss – Wirbelschichtanlagen im Batch- oder Konti-Betrieb

Produktveredelung in zwei Akten: Ob Enzyme für Tierfutter, Vitamine für Nahrungsergänzungsmittel oder Instantkaffee für Kapselsysteme: Vor der Produktentwicklung steht die Suche nach dem geeigneten Prozess. Dr. Michael Jacob, Leiter Verfahrenstechnik im Bereich Process Technology Food, Feed & Fine Chemicals beim Anlagenbauer Glatt Ingenieurtechnik, fasst zusammen, worauf es bei der Entscheidung zwischen kontinuierlicher und chargenweiser Wirbelschicht-Produktion ankommt.

  • Autor: Dr. Michael Jacob, Leiter Verfahrenstechnik, Process Technology Food, Feed & Fine Chemicals, Glatt Ingenieurtechnik GmbH
  • im Original veröffentlicht im Fachmagazin ‚P&A Prozessdigitalisierung Automation‘, Ausgabe 05/2017, publish-industry Verlag GmbH und Für schnellen Genuss (industr.com)

Konti oder Batch ist nicht die erste Frage, die sich in der Produktentwicklung stellt. Üblich Fragen lauten: Wie sehen die Ansprüche an die Produktqualität aus? Und: Welche Anforderungen kommen aus dem Produktionsumfeld? Die Prozessvariante richtet sich nach dem gewünschten Anforderungsprofil. In der Pharmaindustrie sind üblicherweise Chargen-Verfahren Standard, weil dafür seit vielen Jahren Qualitätssicherungssysteme etabliert sind und der gesamte Produktionsablauf häufig auf Batchsystemen beruht. Hinzu kommen häufige Rezeptur- und Produktwechsel sowie eine hohe Variabilität, Flexibilität und begrenzte Kampagnengrößen. Andererseits führen der Bedarf an stetig steigender Automatisierung, ein hoher Effektivitäts- und Kostendruck sowie steigende Produktionsmengen zunehmend dazu, dass kontinuierliche Verfahren immer stärker in den Fokus rücken – in der Lebensmittelindustrie ohnehin, zunehmend aber auch im Pharmabereich, in der Chemie und Feinchemie. Kurze Entwicklungszeiten, geringer Personalbedarf und die Möglichkeit, bei Bedarf mehrere Prozessschritte im gleichen Apparat abzuarbeiten, machen Konti-Prozesse wirtschaftlich attraktiv. Jede gewünschte Menge kann reproduzierbar in sehr homogener Qualität hergestellt werden.

Unterschiede in der Produktqualität

In der Wirbelschicht verhalten sich die fluidisierten Partikel wie eine Flüssigkeit. Die Frage nach der Produktqualität ist deshalb sinnvoll, weil beide Betriebsarten sich neben der Kapazität auch in der Verweildauer der Partikel in der Wirbelschicht und in den verfügbaren Sprühsystemen unterscheiden. Das beeinflusst wiederum die beim Endprodukt erzielbaren Eigenschaften, wie Schüttdichte und die Partikelgrößenverteilung. Die Skalierbarkeit des Prozesses selbst kann mitunter das sprichwörtliche Zünglein an der Waage sein. Um die geeignete Apparatetechnik projektspezifisch auszuwählen, ist eine Vielzahl von Faktoren zu berücksichtigen.

Beeinflussende Entscheidungskriterien

Die Rohstoffe, ihre Eigenschaften und Zusammensetzung stehen auf der einen Seite. Auf der anderen Seite steht das Endprodukt mit seinen gewünschten Spezifikationen. Entspricht die Reinheit der Rohstoffe nicht den Qualitätsanforderungen für das Endprodukt, sind mitunter mehrstufige Aufarbeitungsschritte einzuplanen. Erst wenn klar ist, in welche Richtung die Reise hinsichtlich Produktgewicht, Fließeigenschaften, Restfeuchte und Partikelgröße gehen soll, kann über die in Frage kommende Anlagenausrüstung entschieden werden. Ob ein Produkt in einem kontinuierlichen oder batchweisen Prozess hergestellt beziehungsweise veredelt werden soll, hängt nicht zuletzt von der Produktmenge ab, sondern auch von der Häufigkeit von Produktwechseln.

Batchprozesse: Stärken und Grenzen

Eins vorweg: Die vorherrschende Meinung, dass Batch-Systeme sowohl in der Einrichtung als auch im Betrieb weniger komplex sind als Konti-Systeme, ist im Prinzip richtig. Ihre flexible Prozessführung ist für anspruchsvolle Anwendungen mit einer Vielzahl von Teilprozessschritten prädestiniert. In der Bauweise unterscheiden sich Batch-Apparate von kontinuierlichen Wirbelschichtapparaten durch ein rundes Design mit einer konischen Prozesskammer. Für Agglomerationsprozesse beispielsweise können oberhalb des Wirbelbetts Sprühdüsen installiert werden (Top Spray). Sie verdüsen die Binderflüssigkeit gegenläufig zum von unten anströmenden Prozessgas, wodurch sich gleichmäßig strukturierte und staubfreie Granulate herstellen lassen.

Soll nur eine dünne, sehr gleichmäßige Coating-Schicht, beispielsweise als funktionelle Hülle zur Freisetzungssteuerung, aufgebracht werden, oder besteht das Ausgangsmaterial aus einem sehr feinen Pulver, dann wird das Wurster-Verfahren bevorzugt. Der Anströmboden des Wursters wird segmentiert ausgeführt. Sowohl das Prozessgas als auch die Sprühflüssigkeit strömen von unten in die Prozesskammer. Ein deutlich höherer Volumenstrom innerhalb des sogenannten Wurster-Rohres sorgt dafür, dass die Partikel kontrolliert und  genau definierten Bedingungen durch die Sprühzone zirkulieren und somit extrem gleichmäßig beschichtet werden können. Eine wichtige Rolle im Entscheidungsprozess spielt neben dem Sprühsystem und der Anströmung zudem die Anordnung des Filtersystems, das entweder oben im Gehäuse eingebaut oder alternativ dem Wirbelschichtapparat nachgeschaltet wird.

Kontinuierliche Prozesse: mehr als nur wirtschaftlich

Ein kontinuierlicher Wirbelschichtprozess ist in vielen Anwendungsbereichen das Verfahren der Wahl, wenn flüssige oder pulverige Ausgangsprodukte sprühgranuliert und getrocknet werden. Instantprodukte können sprühagglomeriert oder Chemikalien, Dünger mit einer Schutzschicht überzogen werden. Auch die Mikroverkapselung von empfindlichen Substanzen wie beispielsweise ätherischen Ölen, Enzymen oder Probiotika zählt dazu. Nicht zuletzt hat die Durchführbarkeit mehrstufiger Prozesse im gleichen Apparat dazu geführt, dass die kontinuierliche Wirbelschichttechnologie sich zu einem wirtschaftlichen Verfahren für innovative Produkte entwickelt hat. Sprühdüsen können wie auch beim Chargenapparat  als Top-Spray und Bottom-Spray-Verfahren installiert werden. Der Schlüssel zum Erfolg bei mehrstufigen Prozessen liegt in der Gleichmäßigkeit der Partikelströmung und kann direkt durch das Prozess- und Apparatedesign beeinflusst werden.

Kontinuierlich arbeitende Granulatoren weisen häufig eine eckige Form auf. Ihr Innenleben kann durch mehrere Zuluftkammern segmentiert werden, die dann mit unterschiedlich konditionierten Prozessgasen beaufschlagt werden können. Das Produkt kann durch dieses Konzept in verschiedenen Zonen der Prozesskammer unterschiedliche Verfahrensschritte durchlaufen. Trocknungsgrade und Restfeuchte lassen sich beispielsweise mittels Prozessgastemperatur, Verweilzeit und Prozessgasmenge genau einstellen. Der Durchsatz von mehreren Tonnen pro Stunde macht die wenig störungsanfällige Betriebsart für die großtechnische Produktion sehr interessant, doch auch geringe Mengen von wenigen Gramm können erzeugt werden. Produktionszyklen von mehreren Tagen rund um die Uhr, ohne Unterbrechung oder Produktwechsel sind die Regel. Wer die Vorteile der kontinuierlichen Betriebsart für die wirtschaftliche Produktion von Kleinmengen nutzen und den Personaleinsatz überschaubar halten möchte, profitiert von einer kleiner dimensionierten Anlage, die im stationären Betriebszustand läuft. In diesem Fall wird die Produktionsmenge durch die Betriebszeit der kontinuierlichen Anlage definiert. Durch diesen Ansatz gibt es kein Risiko beim Scale-up.

Erfolgsgarant: nie ohne Versuche

Eine erwähnte Stärke der Wirbelschicht-Technologie – die Herstellbarkeit unterschiedlichster Produktformen, bei Bedarf auch durch das Kombinieren mehrerer Prozessschritte – muss durch experimentelle Untersuchungen untersetzt werden. Glatt Ingenieurtechnik unterhält hierfür am Stammsitz in Weimar ein Technologiezentrum inklusive umfangreich ausgestatteten Laboratorien, das für anwendungstechnische Versuche von Produktentwicklern aus aller Welt genutzt wird. In der Regel dauern die Versuchsreihen maximal eine Woche und werden in der ersten Projektphase auf dem ProCell LabSystem durchgeführt. Die mobile Laboranlage ist mit Einsätzen für jede mögliche Prozessvariante nach Wahl – sowohl für chargenweise als auch für kontinuierliche Prozessführung –ausstattbar. Begleitet werden die Experimente von einem Glatt-eigenen Team, das sich aus Verfahrenstechnikern zusammensetzt, die auf die jeweilige Anwendung spezialisiert sind. Am Ende nimmt der Kunde erfolgreich erzeugte Produktmengen von wenigen Gramm bis zu mehreren Kilogramm mit zurück ins eigene Unternehmen und kann so – mit echten Proben anstelle einer vagen Idee – weitere Tests und Aktivitäten zur Marktsondierung angehen. Ein zuverlässiges Scale-up für die großtechnische Produktion erfolgt üblicherweise über weitere Tests auf Pilotanlagen, die ebenfalls im Technologiezentrum installiert sind. Sowohl für die Batch-Produktion als auch die kontinuierliche Betriebsart werden so verlässliche Rahmenbedingungen definiert, die nicht nur auf dem Papier oder virtuell funktionieren, sondern sich durch handfeste Ergebnisse bereits unter Beweis gestellt haben.

Weitere Informationen zu diesem Thema und verwandten Themen finden Sie auch in den folgenden Veröffentlichungen: