Phosphat-Dünger aus Klärschlammaschen

Die novellierte Klärschlammverordnung schränkt die direkte landwirtschaftliche Verwertung schrittweise ein und verpflichtet Betreiber großer Kläranlagen, das in Klärschlämmen und -aschen gebundene Phosphat zurückzugewinnen. Ein neuer Ansatz ermöglicht es, Klärschlammaschen vollständig zu verwerten und das Phosphat für Standard- und Mehrnährstoffdünger verfügbar zu machen.

  • Autor: Jan Kirchhof, Senior Sales Manager Process & Plant Engineering, Glatt Ingenieurtechnik GmbH
  • im Original veröffentlicht im Fachmagazin P&A Prozessdigitalisierung – Automation: Kompendium 2018-2019, publish-industry Verlag GmbH und Dünger aus Klärschlammaschen (industr.com)

 

Die novellierte Klärschlammverordnung schränkt die direkte landwirtschaftliche Verwertung schrittweise ein und verpflichtet Betreiber großer Kläranlagen, das in Klärschlämmen und -aschen gebundene Phosphat zurückzugewinnen. Ein neuer Ansatz ermöglicht es, Klärschlammaschen vollständig zu verwerten und das Phosphat für Standard- und Mehrnährstoffdünger verfügbar zu machen.

Phosphor ist ein wichtiger Grundstoff für jeden biologischen Organismus und ein Hauptbestandteil  von phosphathaltigen Düngemitteln. 90 Prozent der weltweiten Reserven befinden sich außerhalb Europas.[1] Bei gleichbleibendem Verbrauch und verlässlichen Abbaumöglichkeiten könnten die Vorräte Schätzungen zufolge noch bis zu 400 Jahre reichen.[2] Demgegenüber stehen der steigende Bedarf für die Ernährung der wachsenden Weltbevölkerung sowie weitere industrielle Nutzungszwecke. Andere  Annahmen gehen deshalb davon aus, dass es in den nächsten 40 bis 80 Jahren zu Engpässen und enormen Preissteigerungen kommen wird. Phosphor kann nicht synthetisch hergestellt werden, jedoch sind die Salze und Ester – das Phosphat – wiederverwertbar. Eine auf die Rückgewinnung und Wiederaufbereitung ausgelegte Kreislaufwirtschaft ist folglich die einzige Möglichkeit, den wertvollen Mineralstoff auch für die Zukunft nutzbar zu machen. Aus Vorsorgegründen hat der Gesetzgeber die Phosphor-Rückgewinnung per Oktober 2017 zum Grundsatz erklärt. Innerhalb der nächsten fünf Jahre müssen die Betreiber großer Kläranlagen (Städte > 50.000 Einwohner) Konzepte erarbeiten, wie sie den knappen Rohstoff aus Klärschlämmen und thermischer Verwertung zurückgewinnen wollen. Sie stellen zwar nur sechs Prozent der kommunalen Kläranlagen, behandeln aber über 60 Prozent des in Deutschland anfallenden Abwassers. Darüber müssen die Entsorger die direkte bodenbezogene Verwertung schrittweise zurückfahren. In naher Zukunft werden deshalb ca. 60 Prozent der bisherigen Entsorgungswege wegfallen oder zumindest stark eingeschränkt.[3] Aufgrund der vielen organischen Schadstoffe, die sich in den Böden und im Grundwasser anreichern können, empfiehlt etwa das Umweltministerium Baden-Württemberg seit Jahren die thermische Klärschlammverwertung, wodurch zwangsläufig der Phosphorkreislauf unterbrochen wird. Die Rückgewinnungsquote liegt im Kläranlagenablauf bei  etwa 50 Prozent bzw. einem Schwellenwert von 20g/kg, bei entwässertem Faulschlamm bei bis zu 70 Prozent und bei Klärschlammaschen bei 80 Prozent.[4] Da sich nicht alle Schlämme zur Mitverbrennung eignen, wird die Novellierung der Klärschlammverordnung zum Ausbau der Monoverbrennung führen. Aschebasierten Phosphor-Rückgewinnungsverfahren kommt deshalb in Zukunft eine steigende Bedeutung zu.

Die Schwächen etablierter Verfahren

Ziel eines jeden Recyclingprozesses ist es, mit Hilfe eines wirtschaftlichen Verfahrens möglichst reine Zwischenprodukte zu gewinnen und einer Wiederverwertung zuzuführen. Etablierte Verfahren, wie beispielsweise die integrierte Phosphat-Rückgewinnung aus der Wasserphase mittels unterschiedlicher Rücklösungsverfahren (z. B. Struvit-Ausfällung in Rohrleitungen), haben den Nachteil, dass sie selbst nicht unerheblichen Abfall produzieren. Ihr Vorteil liegt in sinkenden Entsorgungskosten, etwa durch verbesserte Entwässerbarkeit, wenn wertvolle Nährstoffe bereits in der Kläranlage wiederverwertbar herausgefiltert werden können. Ein generelles Problem stellen bislang stets die Verfahrenskosten dar, die eine wirtschaftliche Verwertung – entweder durch den Verkauf von Rezyklaten oder durch Abnahmeerlöse für die Verarbeitung von Klärschlammaschen – verhindern. Im Hinblick auf die Marktfähigkeit ist zu bemängeln, dass die Nährstoffqualität und Leistung der Rezyklate häufig nicht den für Standarddünger erforderlichen Anforderungen der Verordnung über das Inverkehrbringen von Düngemitteln, Bodenhilfsstoffen, Kultursubstraten und Pflanzenhilfsmitteln (DüMV) entspricht. Die Verfahren sind in der Regel stark auf eine bestimmte Rohstoffmatrix festgelegt. Schwankungen in der Nährstoffzusammensetzung und Schwermetallbelastungen können zumeist nicht oder nicht im gewünschten Maße kompensiert werden. Aus Sicht der Zielkunden, den Landwirten also, besteht zudem eine Erwartungshaltung hinsichtlich der Anwendungsfreundlichkeit und des gewohnten Einsatzspektrums. Ein geeigneter Herstellungsprozess für direkt veräußerbare und einsatzfähige Phospatprodukte spielt demzufolge ebenfalls eine nicht zu unterschätzende Rolle.

Neuer Dünger aus alter Asche

Glatt Ingenieurtechnik hat zusammen mit einem Projektpartner ein Verfahren entwickelt, das Phosphat in den Klärschlammaschen in einem ersten Schritt aufschließt und im zweiten Schritt mit Hilfe eines Sprühgranulationsprozesses in der Wirbelschicht in sofort einsatzfähige Düngergranulate verwandelt. Zu diesem Zweck wird aus der phosphathaltigen Asche, einer Mineralsäure und gegebenenfalls Wasser eine Suspension erzeugt, um die Phosphatumwandlung anzustoßen. Dabei werden die Rohstoffkomponenten durchgängig homogenisiert. Die Suspensionsherstellung und somit die Reaktion der Phosphatumwandlung sind von dem Prozess der Granulation getrennt. Diese Trennung hat zahlreiche verfahrenstechnische Vorteile.  Die beim direkten Zusammenführen der phosphathaltigen Aschen und der Mineralsäure zum Teil spontan und heftig ablaufende Reaktion wird  kontrollier- und steuerbar. Die freie Säure wird bereits in der Suspension weitgehend umgesetzt. Der Suspension können bei Bedarf weitere Nährstoffkomponenten in flüssiger oder fester Form oder zusätzliche Phosphatquellen zugesetzt werden, zudem ist das Verfahren für unterschiedliche Aschen geeignet. Der anschließende Sprühgranulationsprozess veredelt das Rezyklat direkt zu einem marktfähigen Produkt. Glatt als Pionier der Wirbelschichttechnologie hat das Granulationsverfahren bereits seit den 1950er Jahren etabliert und seither permanent weiterentwickelt. Es zählt zu den  zentralen Verfahren, wenn es um die maßgeschneiderte Herstellung, Weiterverarbeitung und Funktionalisierung von Feststoffen – beispielsweise Pulvern und Schüttgütern wie Granulate und Pellets  – geht.

Die Wirbelschichtgranulation

Einer Wirbelschicht liegt das Prinzip der Verwirbelung von Partikeln durch einen nach oben gerichteten Prozessgasstrom – in der Regel Luft – zugrunde. Für den Aufbau neuer Düngergranulate werden Primärpartikel, sogenannte Granulationskeime, benötigt. Sie werden im Prozess selbst gebildet und bestehen aus dem gleichen Material wie die feststoffhaltige Flüssigkeit der Phosphat-Suspension, die über Sprühdüsen in die Prozesskammer eingebracht wird (Abb. 1). Durch das Fluidisieren ist die gesamte Oberfläche der Primärpartikel zur Benetzung und Trocknung frei zugänglich (Abb. 2). So können in einem kontinuierlichen, effizienten und wirtschaftlichen Prozess abriebfeste, gut dosierbare sowie langzeit- und lagerstabile Düngemittel mit kompakter und besonders homogener Partikelstruktur hergestellt werden, die sich durch optimale Löslichkeit auszeichnen. Parameter wie Korngröße, Restfeuchte und Feststoffgehalt lassen sich gezielt beeinflussen, um unterschiedlichste Produkteigenschaften zu erreichen.  Mit dem gleichen Verfahren lassen sich zudem unterschiedliche Mehrnährstoffdünger (NP, PK und NPK) erzeugen, indem die Rezeptur entsprechend angepasst wird. Wirkstoffkombinationen können über eine zusätzliche Coating-Schicht erzielt werden, welche sich einfach in den Prozess integrieren lässt. Durch den verfügbaren Phosphatgehalt von bis zu 46 % eignen sich die Granulate als boden- und pflanzenspezifische Standarddünger, die der Düngemittelverordnung entsprechen und sofort marktfähig und von Landwirten wie gewohnt einsetzbar sind. Schwankungen in der Zusammensetzung der Klärschlammaschen werden durch Anpassung der Rezeptur einfach ausgeglichen, das sichert eine gleichbleibend hohe Qualität.

Zusammenfassung

Die vom Gesetzgeber gewollte Erhöhung der Verbrennungsquote für Klärschlamm und die Verpflichtung zur Phosphor-Rückgewinnung zwingt die Betreiber großer Kläranlagen zur langfristigen Neuplanung ihrer Entsorgung. Die Herausforderung besteht darin, Phosphor zu wirtschaftlichen Bedingungen nicht nur zurückzugewinnen, sondern in einem ökonomisch sinnvollen Prozess auch einer nachhaltigen Kreislaufnutzung zuzuführen. Das vorgestellte Verfahren eignet sich bereits unter heutigen Marktbedingungen zur Herstellung von sofort einsetzbaren Standard- und Mehrkomponentendüngern auf Basis von Phosphat-Rezyklat, wobei die Aschen zu 100 Prozent abfallfrei verwertet werden können.

[1] Verordnung zur Neuordnung der Klärschlammverordnung (AbfKlärV über die Verwertung von Klärschlamm, Klärschlammgemisch und Klärschlammkompost) – Bundesgesetzblatt, Jahrgang 2017 Teil I Nr. 65, ausgegeben zu Bonn am 2. Oktober 2017, Seite 3.465ff

[2] DECHEMA: Statuspapier Phosphat-Rückgewinnung, Oktober 2017

[3] Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg: Phosphor-Rückgewinnungsstrategie, Stuttgart, Oktober 2012

[4] DWA-Arbeitsgruppe KEK-1.2: Statistik Abwasser und Klärschlamm in Deutschland, statistische Betrachtungen, 2014

[5] Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg: Phosphor-Rückgewinnungsstrategie, Stuttgart, Oktober 2012

Weitere Informationen zu diesem Thema und verwandten Themen finden Sie auch in den folgenden Veröffentlichungen: