Die novellierte Düngemittelverordnung (DÜMV) zwingt die großen Entsorger, innerhalb der nächsten 12 bis 15 Jahre geeignete Recyclingmethoden zu etablieren. Bisherige Verfahren zur Phoshorrückgewinnung haben den Nachteil, große Mengen Abfall zu produzieren und auf eine bestimmte Rohstoffmatrix festgelegt zu sein. Zudem stellt die DüMV hohe Anforderungen, die von Recyclingdüngern in vielen Fällen nicht eingehalten werden. Das neue Verfahren von Glatt ist geeignet, die Lücke im Phosphorkreislauf zu schließen, indem es den Recycling- mit dem Herstellungsprozess für neuen Dünger verbindet und zu direkt vertriebsfähigen Produkten führt.
In Kooperation mit einem Industriepartner hat der Marktführer für Wirbelschichttechnologie Glatt ein hocheffizientes Verfahren entwickelt, das – verkürzt dargestellt – wie folgt funktioniert: „PHOS4green“ setzt im ersten Schritt Phosphat aus Klärschlammaschen frei, welches anschließend mittels Wirbelschicht-Sprühgranulation in gebrauchsfertige Standarddünger umgewandelt wird. Bei dem Prozess fällt kein Abfall an, die Asche wird zu 100 Prozent verwertet. Das Projekt wurde von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) gefördert. DBU-Experte Dr. Maximilian Hempel bestätigte in einer Pressemitteilung, das Projekt zeige, wie Phosphor nicht nur umweltverträglich zurückgewonnen, sondern in Form eines marktfähigen Produktes direkt eingesetzt werden könne: „Mit dem neuen Verfahren kann wirkungsvoll eine Lücke im Phosphor-Kreislauf geschlossen werden, die einen nachhaltigen Umgang mit dem Stoff bisher erschwert hat.“[1] Das marktreife Verfahren ist hinlänglich erprobt, sofort realisierbar und basiert auf der seit den Sechzigerjahren etablierten Wirbelschichttechnologie.
Stufe 1: Aufschluss der Phosphatquelle
Um die Umwandlungsreaktion einzuleiten, wird aus der phosphathaltigen Asche mit einer Mineralsäure eine Suspension hergestellt. Dieser Schritt ist notwendig, um die aschebasierten Nährstoffe pflanzenverfügbar zu machen. Eine Suspension ist ein heterogenes Stoffgemisch, bestehend aus einer Flüssigkeit, in welcher feste Partikel fein verteilt, das heißt suspendiert sind. Die Suspension wird stets speziell für das gewünschte Endprodukt erzeugt und an die verfügbaren Rohstoffe angepasst. Je nach Anwendungsziel können Wasser und weitere feste oder flüssige Nährstoffkomponenten, auch zusätzliche Phosphatquellen, zugesetzt werden. Um die Rohstoffkomponenten perfekt zu homogenisieren, wird die Phosphatumsetzungsreaktion vom Granulationsprozess getrennt. Mit Hilfe des Verfahrensschrittes über die Suspension konnten die negativen Effekte aus einem vorangegangenen Verfahren des Kooperationspartners beseitigt werden: Zentrale Problemstellungen wie Korrosion, Klebeneigung und die exotherme Reaktion sind nun kontrollier- und steuerbar. Daraus ergibt sich eine Reihe von Verfahrensvorteilen: Die spontane, hochenergetische Reaktion, die normalerweise bei der Kombination von phosphathaltigen Aschen und Mineralsäure auftritt, läuft kontrolliert ab, weil die freie Säure bereits in der Suspension reagiert hat. Darüber hinaus ist das Verfahren ist für eine Vielzahl von Aschenarten geeignet. Erst die anschließende Sprühgranulation veredelt das aufgeschlossene Phosphat zu einem marktfähigen Produkt.
Stufe 2: Sprühgranulation in der Wirbelschicht
Wirbelschichttechnologien zählen zu den Leitverfahren bei partikelbildenden Prozessen und eignen sich hervorragend für die wirtschaftliche Herstellung maßgeschneiderter Dünger. Eine Wirbelschicht entsteht, wenn die nach oben gerichtete Prozessluft eine Schicht aus Feststoffpartikeln anhebt und fluidisiert (Abb. 1). Die Prozessluft dient zur Erzeugung des Wirbelschichtzustandes und liefert gleichzeitig die für die Partikelproduktion benötigte Wärmeenergie. Neben der thermischen Behandlung von Feststoffen werden Wirbelschichtverfahren für Trocknungsaufgaben eingesetzt, um Granulate aus Pulvern (Sprühagglomeration) oder Flüssigkeiten (Sprühgranulation) zu bilden und Partikel zu beschichten (Sprüh-Coating). Alle Partikel werden dabei intensiv miteinander vermischt und einer gleichmäßigen Prozesstemperatur ausgesetzt. Auf diese Weise lassen sich auch temperaturempfindliche Materialien schonend behandeln. Parameter wie Granulatgröße, Restfeuchte und Feststoffgehalt können gezielt beeinflusst werden, um eine Vielzahl von Produkteigenschaften zu erreichen. Zudem lässt sich die Löslichkeit solcher Granulate gut auf die Anwendung anpassen – ideal, um die steigende Nachfrage nach Produkten für immer boden-, pflanzen-, aber auch witterungsspezifischere Einsatzbedingungen zu befriedigen.
In der Wirbelschicht werden Flüssigkeiten in staubfreie Granulate mit kompakter, homogener Struktur und dichter Oberfläche sowie hoher Abriebfestigkeit verwandelt. Die Trocknung ist hierbei sehr einfach zu steuern. Im Vergleich zur Sprühtrocknung sind jedoch die Produkteigenschaften im Wirbelschichtverfahren ganz gezielt einstellbar. Je nach Wahl der verfahrenstechnischen Parameter sowie der technischen Konfiguration der Anlage können Partikelform, -aufbau und -größe nahezu frei definiert und produziert werden. Ermöglicht wird das durch die Vereinigung der Prozessschritte der konvektiven Trocknung bzw. Erstarrung und der Partikelbildung.
Die Sprühflüssigkeit kann aus einer feststoffhaltigen Lösung, Emulsion, Dispersion, Schmelze oder wie im vorliegenden Fall aus einer Suspension bestehen. Bei der Phosphatrückgewinnung für die Düngemittelproduktion kann die Prozessdauer je nach Rohstoff(en) und Endprodukt stark variieren. Zudem verhalten sich die verschiedenen Formulierungen in der Suspension sehr unterschiedlich – einige Substanzen neigen zum Zusammenkleben, was durch die flexible Anpassung der Parameter ausgeglichen wird. Das Gemisch aus festen und flüssigen Komponenten in der Phosphatsuspension wird in die Prozesskammer gesprüht und das Lösungsmittel verdampft sofort. Die verbleibenden Feststoffe dienen als Trägerkeime für die Bildung neuer Düngergranulate. In einem sich wiederholenden Prozess wird die gesamte Oberfläche jedes dieser Primärteilchen mit Sprühflüssigkeit benetzt, sie verdampft und es bildet sich eine feste Hülle aus mehreren Schichten (Abb. 2). Durch den schichtweisen Aufbau entstehen so feste, kompakte und runde Vollkugeln (= Granulate) mit zwiebelförmiger Struktur. Dieses sogenannte „Layering“ ermöglicht ein hohes Maß an Flexibilität, da Partikel aus verschiedenen Feststoffschichten gebildet, Kerne beladen und beschichtet werden können. Sobald die Sollgröße der Düngerkörnchen erreicht ist, wird das Produkt ausgetragen und kann direkt verpackt, vermarktet und dosiert werden (Abb. 3).
Optional: funktionelle Schutzschicht
Um Produkte gezielt zu funktionalisieren und mit einem höheren Mehrwert auszustatten, können die Partikel bei Bedarf anschließend mit einer funktionellen Schutzschicht umhüllt werden, zum Beispiel um verschiedene Wirkstoffkombinationen einzustellen. Ein solches Coating schützt aktive Substanzen vor Einflüssen, die bei der Lagerung, dem Transport oder während der Anwendung auftreten können. Der Schutzmantel maskiert aber auch unerwünschten Geruch oder Geschmack, was zum Beispiel bei Insektiziden hilfreich ist, wenn der Köder dem Schädling „schmecken“ soll. Hinzu kommt die Möglichkeit, ein farbiges Branding aufzubringen, damit sich einzelne Komponenten auch optisch unterscheiden (Abb. 4). Am interessantesten aber ist die gezielte Freisetzung „controlled release“ beziehungsweise „slow release“ von Wirkstoffen, die an bestimmte Witterungs- und Bodenverhältnisse, Arbeitsschritte und Pflanzenbedürfnisse gekoppelt werden kann.
Ein Coating-Prozess beginnt mit dem Füttern des Prozessraumes mit vorliegenden Partikeln, Granulaten oder Pellets. Diese werden in einem Prozessschritt wiederholt mit einer oder mehreren Sprühflüssigkeiten besprüht und getrocknet beziehungsweise erstarrt, sodass sich eine Hülle mit sphärischen Schichten aufbaut (Abb. 5). Die Qualität eines Coatings wird anhand der Freisetzungskinetik, der Dichtigkeit der Schutzhülle und der mechanischen Festigkeit im Labor überprüft. Das Ergebnis sind Düngemittelgranulate mit ausgeprägter Depotwirkung und definiertem Nährstoffangebot für eine optimale Dosierung und Reduzierung von unerwünschten Drifterscheinungen bei der Ausbringung.
Mehrnährstoffdünger aus angepassten Rezepturen
Nach dem gleichen Granulationsverfahren wie zuvor beschrieben, können neben P38, P46, PK 20-30 und PK 12-24 über eine angepasste Rezeptur auch verschiedenste Mehrnährstoffdünger (z. B. NP, PK und NPK) hergestellt werden. Parameter wie Partikelgröße, Restfeuchte und Feststoffgehalt sind dabei gezielt beeinflussbar, um ein breites Spektrum an Produkteigenschaften zu erreichen. Auch hier kann anschließend wieder, dank hoher Partikeldichte und geringer spezifische Oberfläche, eine funktionelle Beschichtung aufgebracht werden. Kombinationen lassen sich ebenfalls leicht in den Prozess integrieren und hinsichtlich der Produkteigenschaften optimieren. Aus ökologischer Sicht eignen sich die neuen Dünger mit einem möglichen Phosphatgehalt von bis zu 46 Prozent sowohl als boden- als auch als pflanzenspezifische Düngemittel für den ökologischen und den konventionellen Landbau, entsprechend der Düngemittelverordnung. Schwankungen in der Aschenzusammensetzung sind durch eine Anpassung der Rezeptur leicht ausgleichbar. Das Verfahren „PHOS4green“ ist besonders wirtschaftlich und erfüllt aktuelle Marktanforderungen an die Herstellung von gebrauchsfertigen Standard- und Mehrkomponentendüngern auf Basis von recyceltem Phosphat – Rohphosphat wird nicht benötigt.
Ein 100% abfallfreies Produkt
Im Vergleich zu anderen Recyclingverfahren zur Phosphatrückgewinnung, die erhebliche Abfallmengen produzieren, ist dieses Verfahren zu 100% abfallfrei, sodass die Asche vollständig verwertet werden kann. Darüber hinaus ist der gesamte Prozess ebenfalls abfallfrei. Dabei entstehen keine schädlichen Zwischenprodukte. Auch enthalten die so produzierten Dünger bis zu 92 Prozent weniger Cadmium und Uran als die konventionell hergestellten Mineraldünger, deren Phosphatquellen teilweise stark belastet sind. Zudem liegt der Schadstoffgehalt der neuen Düngemittelgranulate deutlich unter den gesetzlichen Grenzwerten (Abb. 6). Auch aus wirtschaftlicher Sicht ist es interessant, dass für die Düngemittelproduktion kein Rohphosphat und weniger Energie benötigt wird. Durch die mit „PHOS4green“ produzierten Dünger können sich hiesige Produzenten unabhängig von den internationalen Phosphatlagerstätten machen, indem sie lokale Phosphatquellen durch die Nutzung von Klärschlammaschen erschließen.
Marktpreise und Investitionsfaktoren
Die Düngererzeugung aus Aschen lässt sich zu marktüblichen Preisen realisieren, da das Verfahren „PHOS4green“ auf der seit Jahrzehnten etablierten Wirbelschichttechnologie basiert und die Anlagentechnologie überall auf der Welt im Einsatz ist. In Deutschland wird bereits ein Projekt in Form einer Produktionsanlage im industriellen Maßstab umgesetzt. In Konzeptstudien und Betrachtungen für Anlagen mit unterschiedlichsten Einsatzbedingungen hat Glatt darüber hinaus Anlagenkonzepte entwickelt, die sich energetisch weiter optimieren lassen und zum Beispiel durch Abluftteilrückführung signifikante energetische Einspareffekte bieten.[2] Die Wirtschaftlichkeit beeinflussende Faktoren sind neben dem Standort auch die herzustellenden Produkte bzw. deren Rezepturen und die avisierten Produktionskapazitäten. Bei der Überlegung „kleine dezentrale Anlage vs. Großanlage“ unterstützen die Ingenieure von Glatt von der ersten Idee bis hin zur Realisierung der Produktionsstätte.
Autor: Jan Kirchhof, Senior Sales Manager Process and Plant Engineering, Glatt Ingenieurtechnik GmbH
PHOS4green-Verfahren auf einen Blick
- Aschebasiertes zweistufiges Recyclingverfahren für Phosphor
- Kein Abfall: Aschen werden zu 100% verwertet, keine schädlichen Zwischenprodukte
- Neuer Standard- und Mehrnährstoffdünger (NP, PK und NPK) geeignet für konventionellen und Okö-Landbau
- Phosphatgehalt im neuen Dünger bis zu 46% (siehe Pflanzversuche)
- Schadstoffgehalt weit unter den Grenzwerten bzw. auch oft wesentlich geringer als bei herkömmlich hergestellten Dünger
- Mehr als 90% weniger Cadmium und Uran
[1] https://www.dbu.de/123artikel37663_2442.html, aufgerufen am 22.08.2019
[2] https://www.umweltmagazin.de/2018/Ausgabe-09/Abfall/Hochleistungsduenger-aus-Klaerschlammasche, abgerufen am 26.08.2019